Das Wertvolle weitertragen
Mit Evviva! tauchst du ein in den Genuss, so facettenreich und niemals erschöpfend zu beschreiben. Faszinierend, wie viel Raum zum Nachdenken und Gelegenheit zur Freude der Genuss so bietet. Regalweise wurden und werden Bücher darüber verfasst. Ganze Universitäten erforschen ihn.
Hier, auf diesem Blog, teile ich meine Gedanken dazu. Ist der Genuss etwas, das man im Blut hat oder das man auch lernen kann? Ich vermute, eine Mischung von allem.
Ich nähere mich dem Genuss folgendermaßen: Den Augenblick wahrnehmen und sich daran erfreuen. Jedes Mal neue Begeisterung spüren, wenn ich guten Wein trinke oder in ein zartes italienisches Brioche beiße. Das Ploppen eines Sektkorken hören, der aus der Flasche springt – mein Lieblingsgeräusch. Die Augen verliebt über Landschaften streichen lassen, wenn bewaldete Berghänge an grünpelzige Ungeheuer erinnern oder Karstfelsen von Perückenstäuchern leuchtend rot gefärbt werden.
Befähigung zum Genuss
Genuss erfordert Wachheit und Aufmerksamkeit, das ist klar. Oberflächliches Konsumieren ist nicht Genießen. Das Anhäufen und Ansammeln von besuchten Orten, verspeisten Gerichten oder geleerten Flaschen ist nicht meine Ambition. Vielmehr geht es mir um das Echte und Originale, um Produkte und ihre Tradition, um Menschen, die mit ihren Händen wahre Gaumenfreuden erschaffen. Wenn dann meine Geschmackspapillen mit mir sprechen, oft überrascht ob des unerwarteten Wohlgeschmacks, ist das für mich – pures Glück!
Genuss ist für mich auch Kochen. Die Freude, dabei neue Fähigkeiten zu erlernen. Die Herausforderung anzunehmen, nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch zu brillieren.
Das Auge isst mit! Ästhetik ist beim Genießen essenziell. Wie sehr schmerzt es mich, nicht nur aus hygienischen Gründen, wenn in einem schicken Restaurant das Besteck auf den blanken Tisch gelegt wird.
Ich schätze gepflegte Tischwäsche und ebensolche Tischmanieren. Schon in meiner Kindheit wurde zu Hause der Tisch ordentlich gedeckt – Tischtuch oder zumindest Tischsets, gutes Besteck, eine Serviette!
Oder die Glaskultur. Hast du schon einmal ein simples „Mineral-Zitron“ aus einem Weinglas getrunken? Eine andere Welt tut sich auf.
Mit allen Sinnen
Für mich bedeutet Genuss auch Stille, ohne Trubel. Meerblick ohne Sonnenschirme, Waldwege ohne Kopfhörer. Gerüche – blumige Pfirsiche, betörendes Basilikum, durchdringender Pfeffer. Genauso das Gefühl von weichem Germteig oder glitschigem Fisch zwischen den Fingern.
Wie man sieht, hat Genuss viel mit den menschlichen Sinnen zu tun. Und manchmal bezeichne ich mich scherzhaft gar als „Trüffelschwein“, wenn es mir gelingt, etwas besonders Schönes oder Gutes aufzustöbern.
Wie ein Kind freue ich mich, wenn ich stundenlang an einem „Wohlfühlort“ verweilen kann. Wie ich überhaupt für die Muße plädiere ! Was für ein herrlich altmodisches Wort, dem viel zu lange das Odeur von Faulheit anhaftete.
Doch es ist längst Zeit, die Muße zu entstauben. Sie ist im Grunde das, was der heutige „Funktionsmensch“ braucht. Nicht Optimierung und Effizienz, sondern die Möglichkeit, einfach zu sein.
Wertvolles Genusshandwerk
Oft werde ich gefragt, wie ich beim Genießen das Herausragende finde. Instinkt und Intuition spielen wohl eine Rolle. Ich halte Ausschau und bin empfänglich für Botschaften aus der Genusswelt.
Mich faszinieren Menschen, die mit Hingabe und Können etwas Wertvolles herstellen. Die Zeit und Mühe investieren, oft mit finanziellen Risiken, um Traditionen mit Innovationen zu verbinden. Der Glaube an das Gute treibt sie an – und mich ebenfalls.
Es geht hier nicht um simples „Essen und Trinken“, das als banal abgetan werden könnte. In guten Lebensmitteln steckt enormes Wissen über Kultur und Geschichte, das sich von Generation zu Generation aufgebaut hat. Techniken haben sich verändert, wissenschaftliche Erkenntnisse sind hinzugekommen, und innerhalb von Familien haben sich Erfahrungen zu regelrechten Schätzen entwickelt. Das beeindruckt mich zutiefst und ich höre, sehe und koste mit Begeisterung. Ich staune demütig vor so viel Überzeugung und Mut.
Das Genussprinzip
Mit meinem Wunsch, das Genussprinzip zu verbreiten, möchte ich den Fokus auf etwas lenken, das manche vielleicht nie gelernt oder irgendwann wieder verlernt haben. Es geht – auch – um die „kleine Freude“ im Alltag, die das Leben lebenswerter macht. Ein guter Kaffee in einer schönen, je nach Stimmung wechselnden Tasse kann ein solches Beispiel sein. Ich will das Interesse auf das Unsichtbare oder jedenfalls nicht Augenscheinliche lenken.
Genuss ist für mich leicht und freudvoll. Er ist nicht unmäßig und völlernd, sondern achtsam und dankbar. Als Gegenpol dient für mich nicht so sehr der Verzicht als vielmehr das Maßhalten, manchmal sogar das Frugale. Das Wertschätzen des „Besonderen“ kann den Genuss erhöhen.
Gleichzeitig hat Genuss für mich nichts mit Luxus oder Hochpreisigkeit zu tun. Gerade im Süden, in meinen geliebten Ländern Italien und Griechenland, die mir so sehr Heimat waren und sind, habe ich viel zum Thema „einfach“ Genießen gelernt.
Vorbild ist die schlichte Bauern- und Fischerküche mit ihren ehrlichen, schmackhaften Zutaten. Exotik hat dort keinen Platz, saisonal und regional ist das Normale, mit dem ich auch selbst aufgewachsen bin.
Und das Wichtigste von allem: Immer wird mit Liebe zubereitet und gekocht.
Auslese und Antrieb
Es gehört zum Ureigensten des Menschen, sich gut zu ernähren. Nur durch angemessene Ernährung konnte man einst überleben. Die natürliche Auslese war gnadenlos – da haben wir es heute leichter.
Dennoch ernähren sich viele Menschen schlecht. Eine Menge alltägliches Wissen und gesundes Bewusstsein sind verloren gegangen.
Durch meine Arbeit in Blog- und Magazinartikeln sowie in meinem Buch „Friaul-Julisch Venetien mit Geschmack“ kann ich Werte ins Rampenlicht rücken, die nicht nur dem Körper, sondern auch Geist und Seele gut tun.
Ich wünsche mir dabei, dass immer mehr Menschen die Freude am Genießen finden und teilen. Genuss wächst in Gemeinschaft, im Teilen – und genau dafür schreibe ich.