Romeo, Floh und Mitzi stürzen sich gierig auf die Futterschale. Die Katzenverpflegung besteht aus dem, was der Hof Frisches hergibt. Vom Stallgebäude her hört man dumpfe Bewegung. Zuerst muhen, dann auch grunzen. Ein paar der Rinder müssen drin bleiben, die meisten sind draußen auf der weitläufigen Weide. Die bunten Tiere verteilen sich wie Punkte in der Wiese, die bis zum Waldrand reicht. Fleckvieh, schwarze Angusrinder und eine Besonderheit, von der selbst die Besitzer überrascht waren: kupferfarbene Angusrinder. Als Kinder zweier schwarzer Eltern. „War wohl die Oma oder der Opa ein ‚Brauner‘, sagt Elisabeth, die Bäurin. Sie lacht. Eine sonnige Person, der man nicht ansieht, dass ihre Tage aus Arbeit bestehen.
Im Stall drinnen erwartet uns der „Duft“, dem man nicht entkommt. Meine Haare schütze ich mit einem geblumten Sommerschal. Wenige Minuten ohne Kopfbedeckung würden genügen, um danach als dauerhafter Duftspender durchzugehen. Wieder lacht Elisabeth. „Ja, das ist so. Leider!“
Ich luge über die Bretterwand in die erste Box. Im leichten Halbdunkel des Nachmittags sehe ich sie. Eine mächtige dunkelhaarige Mangalitzasau, die aus den Augenwinkeln prüfend alles beobachtet. Gundi ist erst vor drei Wochen Mutter geworden. Von stolzen fünf Ferkeln, die aussehen wie Frischlinge, junge Wildschweine – im gestreiften Pyjama quasi. Aber sie werden nicht so genannt. Und hier heißen sie sowieso einfach „Kinder“. Sie wuseln ganz aufgeregt herum, kugeln sich in einer Ecke zusammen, weil sie merken, dass Besuch da ist.
Schwalbenbäuchige heißt diese Art der Mangalitzas. Im Freien gehen sie als besserer Bagger durch, wie mir Elisabeth erklärt. Deshalb muss das Außenquartier für die dreißig bis vierzig Tiere erst neu geplant werden.
Diese besondere Schweinerasse war schon im 19. Jahrhundert die am weitesten verbreitete der k. u. k. Monarchie gewesen. Später wurde sie durch magerere Rassen so weit vom Speiseplan verdrängt, dass es Ende der 1970er-Jahre fast keine Mangalitzas mehr gab. Heute befinden sie sich auf der Liste der Traditionellen Lebensmittel in Österreich und sind aufgrund intensiver Erhaltungsmaßnahmen und der überzeugenden Qualität wieder gefragter denn je.
Nun wird es auch in den Nachbarboxen aufgeregter. Die Teenager lärmen und springen aneinander hoch, reiben ihre lockige Fellpracht an einem Metallrahmen. Vielleicht wollen sie zeigen, wie cool sie sind. Kennt man doch, ist irgendwie menschlich. Elisabeth wirft ein paar Äpfelchen, die in einer Scheibtruhe liegen, zwischen die wolligen Genossen. Die wohl gesündeste Beruhigungspille.
Im Nebenstall wird es noch einmal fröhlich. Da gibt es eine Draufgabe an Kindern: Stattliche zehn an der Zahl, gerade so viel, wie deren Mutter Zitzen hat. Die Ferkel sind von unterschiedlicher Größe, manche kräftiger, manche ganz zierlich. Das Leben ist auch hier ungerecht: Jedes der putzigen Schweinchen bekommt immer dieselbe Zitze – und jede gibt unterschiedlich viel Milch.
Daneben leerstehende Boxen: Die Pferde sind auf der Alm. „Und Schafe will der Toni auch noch, aber jetzt ist Schluss!“, sagt Elisabeth und lacht, wie so oft. Man hat das Gefühl, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Auf dem Weg über den Hof begegnen wir den „Männern“, wie Elisabeth sie ruft. Die zwei Laufenten haben es eilig, machen erhobenen Hauptes einen weiten Bogen um uns. Ihre Aufgabe, die ansässigen Nacktschnecken zu verschmausen, nehmen sie ernst. Am Schnabel baumeln lange Grasreste, weil die lästigen Kriechtiere klebrig sind. Deshalb suchen die beiden Herren nun den Pool auf. Ein winziges Babyplanschbecken, das ihnen Elisabeth hergerichtet hat.
Den Verkaufsraum haben sie und ihr Mann Toni, der außerdem kunstfertiger Tischler ist, in einem weiteren Nebengebäude eingerichtet. Dort hängen der appetitliche Mangalitzaspeck und die köstliche dunkelrote Rindssalami zum Trocknen an einem praktisch aussehenden Gestell. „Die Tiere werden mindestens 18 Monate alt, bevor sie geschlachtet werden. Und dann bringen sie circa 200 Kilo auf die Waage!“ Und das alles nur von Heu und Stroh und ein wenig Gerste! Doch hier ist Speckansetzen definitiv gefragt. – Das ist jetzt gar nicht menschlich.
Der Duft des Geräucherten ist zart, alles sieht zum Anbeißen aus. Mit großer Hingabe schneidet Elisabeth ein Stück vom Schinkenspeck herunter. „Ihr wollt’s eh lieber von der fetten Seite, gell?!“, kennt sie unsere Vorliebe. Ja, unbedingt, denn es gibt nichts Cremigeres als diesen wunderbar strahlend weißen Speck, der noch dazu berühmt ist für seinen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren. Genuss pur.
Hinter dem Haus öffnet sich der weite Blick über das Lavanttal. „Ich werde irgendwie unrund, wenn ich hinunter muss“, meint Elisabeth. „So gern bin ich da.“ Verstehe. Der Küchengarten ist fast ein Acker, so groß ist er. Was sich da findet? Alles, was im Lehrbuch für ein paradiesisches Bauernkräutlgartl steht. Unter anderem prangen da Goldmelisse, Wilder Fenchel, Herzgespann, Weinraute, Muskatellersalbei. Violette Stockrosen, Gelbes Schmuckkörbchen, eine Artischocke, die heuer keine Blüte trägt. Wenn manche der Kräuter zu üppig wuchern, bekommen die Mangalitzas die Abschnitte. Die Glücklichen. Und sonst macht Elisabeth noch Tinkturen und Tees, nur so für den Hausgebrauch.
Meine Vermutung scheint sich jedenfalls zu bestätigen: Die gute Frau bezieht ihre Energie aus ihrem „Arbeitsplatz“. Aus den Tieren, dem wundervollen Kräutergarten, sicher auch aus der Begeisterung ihrer Kunden. Dem Ausblick.
„Ach, ich muss schnell laufen, der Reindling ist gerade am Gehen“, ruft sie, schon am Weg in die Küche. Während wir hier plaudern, muss sogar noch gebacken werden. Am nächsten Tag heiratet jemand und wünscht dafür Brot, Gebäck und Jause von den Grasslers. Elisabeth, die unermüdliche Frohnatur. Wann schläfst du eigentlich? „Ach, lacht sie schon wieder, das geht sich auch noch gut aus!
Kontakt:
Elisabeth und Anton Grassler vlg. Sandbauer; Oberleidenberg 66, 9412 St. Margarethen, Tel. 04352/61952, 0664/4822020. Neben der Vermarktung der eigenen Produkte gibt es auch Zimmervermietung.
Fotos: Emhofer (2), alle anderen: Richter