In einer Zeit, in der „Teilen“ oft bedeutet, Informationen über soziale Medien in die digitale Welt zu senden, geraten die echten, greifbaren Momente des Teilens manchmal in den Hintergrund. Doch was passiert, wenn wir es im wörtlichsten Sinne verstehen – wie beim gemeinsamen Essen? Ein Blick auf die verbindende Kraft des Teilens, das weit über Likes und Shares hinausgeht.
Es ist wieder in Mode gekommen, das Teilen. Denn, halten wir uns vor Augen: Bis zur Erfindung von Facebook war das Wort „teilen“ total weg gewesen vom Fenster. Ich erinnere mich an den Religionsunterricht, in dem man vom Teilen sprach. Der heilige Martin, der seinen Mantel mit dem Bettler teilte. Und wie wir als Kinder dazu angehalten wurden, unsere Süßigkeiten mit dem Bruder oder den Freundinnen zu teilen. Ein wenig unsympathisch …
Traditionen und Trends
Und dann kamen die sogenannten sozialen Medien, die als einen ihrer Grundpfeiler das Teilen hatten! Alles, was in unserem Leben passiert, ob gut oder schlecht, sollte plötzlich mit der Welt, also mit Fremden und Bekannten, geteilt werden. Wie verrückt.
Heute sind wir es längst gewohnt und schrecken kaum mehr davor zurück, das Mittagessen, die Kinder oder den schönsten Urlaubsmoment herzuzeigen. Wir teilen so gut wie alles mit Personen, die sich selbst nicht zeigen, die wir vielleicht nie im realen Leben treffen. Wir haben keine Scheu mehr, dem exhibitionistischen und voyeuristischen Prinzip zu dienen. Denn bei dieser Art von Teilen geht es ja nicht um Materie, sondern um Eindrücke und Gedanken.
Der Mehrwert von geteilter Freude
Dennoch machte für mich von Anfang an das Teilen, das plötzlich wieder ins Bewusstsein gerückt wurde, bis zu einem gewissen Grad die Sympathie von Social Media aus. Und wenn mich Zweifel überkamen, dachte ich ganz fest daran.
Im Lauf der Jahre kristallisierte es sich immer mehr zu einem lustvollen und auch feierlichen Moment heraus: Wenn ich in meinen Genussgeschichten mit Freude persönliche und offenbar gut nachvollziehbare Erlebnisse mit anderen teile. Heute weiß ich, dass „gute Energien“ in vielfacher Gestalt wieder zu mir zurückkehren.
Zusammen an einem Tisch
Eine Voraussetzung des kulinarischen Genusses ist das gemeinsame Essen. Einst war es ganz normal, dass sich die Familie, egal ob im Alltag oder zu Feiertagen, an einen Tisch setzte und gemeinsam aß. Das, was vorher von der Mutter bzw. den Frauen in der Familie gekocht worden war. Mit viel Einsatz von Können, Wissen, Zeit und nicht zuletzt Liebe.
Was bedeutete diese gemeinsame Mahlzeit? Sie diente nicht nur der Nahrungsaufnahme. Zusammen essen war ein wichtiges Ritual. Wesentlicher Bestandteil war (und ist) die soziale Komponente, weil diese Form der Gemeinsamkeit etwa Vertrauen und Nähe sowie den Austausch von Informationen mit sich bringt.
Wissenstransfer zur Ernährung
Schon vor dem Essen ist das gemeinsame Kochen ein Akt der Gemeinschaft: Jede und jeder kann seine Fähigkeiten einbringen und – besonders wichtig – das Wissen darum kann geteilt werden! Das, was die Oma konnte, hat sie der Tochter oder Schwiegertochter weitergegeben. Man wusste viel über die Lebensmittel selbst – wann ist die Erntezeit, welche Speisen können damit zubereitet werden, welche gesundheitlichen Eigenschaften haben etwa Wildkräuter, wie funktioniert das Haltbarmachen von Fleisch, Gemüse und Früchten und so vieles mehr.
Es war meist keine niedergeschriebene Wissenschaft, sondern traditionelles und von Generation zu Generation weitergereichtes und damit bewahrtes Wissen, das hier geteilt wurde.
Moderne Tafelrunden
Beim Essen bin ich ein Fan von schönen Tafeln. Ich liebe Lokale, in denen ein zentraler Tisch Platz für viele Personen bietet– ob allein, als Paar oder Gruppe. Wo auch wildfremde Personen miteinander (oder nebeneinander) essen, trinken, Zeitung lesen oder plaudern können.
So ein „Treffpunkt“ erinnert an den Stammtisch, den es einst in jedem Dorfwirtshaus gab. Auch dort kamen die Leute ohne Verabredung zusammen und teilten eine gewisse Zeit des Tages miteinander, um sich auszutauschen.
Mittlerweile gibt es gar in Fine-Dining-Restaurants den Trend, der sich dort „Shared Table“ nennt. Oder Bar-Dinner inklusive Einblick in die Schauküche und Austausch mit den Köchen. Eher nichts für romantische Abende zu zweit, aber ansonsten eine Empfehlung für alle, die Esskultur „solidarisch“ erleben wollen.
Die Taverne als Newsfeed
Wer mich kennt weiß, dass mir neben der italienischen auch die griechische Kultur am Herzen liegt. Ich schätze der Griechen echte Gastfreundschaft und die Selbstverständlichkeit des Teilens beim gemeinsamen Essen. Mit Vorliebe wird im Lokal an einer großen Tafel gespeist, und manchmal werden auch durchaus nur zufällig vorbeikommende Bekannte dazu eingeladen.
Prinzip der Fülle
Es wird gerne großzügig bestellt und die zahlreichen Speisen finden sich dann in der Tischmitte wieder. Jeder Gast bekommt einen Teller und bedient sich nach Belieben von allen Köstlichkeiten – bunt, abwechslungsreich und sicher hedonistisch. Alle kosten und genießen nach Lust und Laune. Neid, Gier und Egoismus bleiben bei dieser Gelegenheit draußen. Das gemeinsame Mahl lebt vom schönen Prinzip der Fülle.
Daran erinnere und orientiere ich mich allzu gerne, auch wenn ich gewissermaßen durch mein Schreiben teile. Mich freigiebig mitteile. Und das Glück ist dann vollkommen, wenn andere daran teilhaben und „interagieren“. Oder: Sich mit mir voller Freude dazu austauschen.