Einmal (noch) Italien-Feeling, bitte. Das denken sich seit Jahrzehnten nicht nur Kärntner, sondern auch Durchreisende und Urlaubsrückkehrer, wenn sie sich auf den Weg nach Tarvis machen.
Auf den ersten Blick mag Tarvis (italienisch: Tarvisio, slowenisch: Trbiž) wie eine typische Grenzstadt aussehen – mit Straßen, die durch das Zentrum hindurch- und eben wieder hinausführen. Geschäfte, Pizzerie und Ristoranti in unterschiedlicher Ästhetik reihen sich aneinander. Die Stadt in der Region Friaul-Julisch Venetien hat circa 4000 Einwohner und liegt, eingebettet in die Karnischen Alpen, auf rund 700 Metern Seehöhe. Markante Gipfel rundum sind im Sommer und im Winter das Ziel vieler Sportler aus der ganzen Welt. Und: Das Shoppen an diesem Lieblingsausflugsziel ist ein Dauerbrenner.
Auf dem Weg an die Adria
Als die ersten österreichischen Familien ab Ende der 1950er-Jahre an die obere Adria auf Urlaub fuhren, begann Tarvis interessant zu werden: als Zwischenstopp bei der noch beschwerlichen Anreise, als Einkaufsstopp auf dem Weg nach Hause. Vor allem ab den Achtzigern wurde die Kleinstadt im Kanaltal (Val Canale), an der Grenze zwischen Österreich und Italien, der Pilgerort für Mortadella- und Modehungrige. Italienische Moonboots-Frauen in Pelzmänteln stapften in der Via Roma durch den Schnee. Sportmarken wie Silvy oder Ellesse verhießen die mondäne Welt. Der überdachte Mercato di Tarvisio, auf dem heute noch (montags bis sonntags und ganztägig) gefeilscht wird, war das Nonplusultra für leistbaren italienischen Chic.
Was führen Sie mit?
Die Grenzen waren noch lange keine „offenen“, bis zum Schengen-Abkommen 1998 war es nur bis zu einem genau festgelegten Wert erlaubt, Waren einzuführen. Das galt für Chianti und Grappa genauso wie für Lederjacken, Spaghetti oder, ja, Zigaretten … Deshalb war es reine Nervensache, die begehrten Herrlichkeiten so gut wie möglich im Auto versteckt bzw. am Körper, in mehreren Schichten übereinander getragen, über die Grenze zu schmuggeln.
Italien ist überall
Heute entlocken uns die „kuriosen“ Erinnerungen ein Schmunzeln. In unserer globalisierten Zeit fragt uns – im Normalfall – keiner mehr, was wir denn im Kofferraum mitführen. Weinkartons, Prosciuttokeulen, Käselaibe, Pasta in Hülle und Fülle. Und vieles bekommen wir ohnehin auch daheim! Italienische Lebensmittel gibt es in jedem Supermarkt. Lokale mit italienischer Küche sprießen immer noch wie Schwammerln aus dem Boden. Und die Billigmode à la Tarviser Markt hat bei uns beste Innenstadtlagen erreicht.
Doch manchmal überkommt es uns und wir brauchen augenblicklich italienische Luft! Mit dem Hauch von Italianità schmeckt der Kaffee schon wenige Meter jenseits der Grenze um Hausecken besser. Die überproportional vielen Boutiquen sind Garant für lässigen italienischen Lifestyle zum Anziehen. Und so wird Tarvis nie im Leben auch nur einen Funken an Reiz verlieren.
Multikulti-Stadt Tarvis
Die Lage am Eingang zum Kanaltal, dem nordöstlichsten Teil der Region Friaul-Julisch Venetien, macht Tarvis außerdem zu einem Schnittpunkt des italienisch-österreichisch-slowenischen Dreiländerecks mit bewegter Geschichte. Multikulturalität wird hier bewusst gelebt, und es wird Deutsch, Italienisch, Slowenisch sowie Friulanisch gesprochen. In Tarvis und seinem Umland, dem Tarvisiano, trifft man binnen weniger Kilometer auf drei Staatsgebiete mit vier Sprachen – und ebensovielen Küchen. Es gibt also viele gute Gründe, nach Tarvis zu fahren.
Meine persönlichen Tarvis-Tipps
Wer kulinarische Besonderheiten sucht, wird auch hier sein Glück finden. Entlang von zwei oder drei Straßenzügen gibt es die Synthese der italienischen Genusskultur. Viele Besucher haben ihr schon über Generationen hinweg vererbtes Lieblingslokal. Dennoch gibt es jenseits von Pizza und Tarviser Jause (mit Mortadella und Sgombri auf demselben Teller, eine bizarre Kärntner „Erfindung“) lohnenswerte Kulinarik-Ziele. Hier meine Tipps.
1. Hladik – Die Osteria mit Charme
In der Via Romana befindet sich die Osteria Hladik, eine legendäre Gaststätte, die vor wenigen Jahren von Katia und Maya, zwei Powerfrauen und Gastro-Profis, übernommen wurde. Die Gemütlichkeit und der Charme des kleinen Lokals mit Holzvertäfelung, Schachteln und Schränken voller Weinflaschen wurde erhalten. Allerdings gab es ein „Qualitätsupgrade“. Feine regionale Lebensmittel werden liebevoll und gekonnt zu typisch friulanischen Gerichten verarbeitet. Das Weinangebot, sowohl glas- als auch flaschenweise, ist ausgezeichnet. Und das Ambiente so richtig zum Wohlfühlen. Bestens geeignet, um einen Shoppingtrip noch zu toppen.
2. Miramonti – Aussicht auf feines Essen
„Uns gibt es schon ewig“, betont die freundliche Wirtin Laura. Facebook & Co. seien nicht ausschlaggebend für ihren Erfolg, es ist vielmehr die gute alte Mundpropaganda. Und die führt in ein gemütliches Lokal, das mittags eine kleinere Karte mit friulanischer Hausmannskost anbietet: Toc‘ in braide, Pasta mit Salsiccia, Gulasch etc. Alles liebevoll zubereitet, angerichtet und serviert. Tolle Weinauswahl. Abends gibt es ein gehobeneres Programm mit kreativer, regionsbezogener Küche. Das Highlight nach einer Wanderung, Radtour – oder einfach so!
3. Adria Pesca – Frischer Fisch zum Mitnehmen
Eine äußerst appetitanregende Anlaufstelle für frischen Fisch zum Mitnachhausenehmen ist die familiengeführte Pescheria Adria Pesca an der unteren Straße von Tarvis. Je nach Jahreszeit gibt es eine schöne Auswahl von Mazzancolle, Calamari, Jakobsmuscheln, Sardinen und Sardellen, Goldbrassen, Branzino (auch aus Wildfang) usw. Und je nachdem, was das Meer eben noch so hergibt.
4. Doni di Bacco – Feine Kost in Hülle und Fülle
Einer der edelsten Genusstempel der Kleinstadt ist das Doni di Bacco direkt an der Hauptstraße. Weine aus ganz Italien und darüber hinaus finden sich in beeindruckender Auswahl in den hohen Regalen fein säuberlich aneinandergereiht. Italienische Delikatessen von süß bis salzig erfreuen das Herz aller Gourmets. Die Liebe zum Detail bringt mit sich, dass die Feinkosttheke wie ein Schmuckladen aussieht. Bemerkenswert: die Vielzahl an Pastasorten aus kleineren Manufakturen. Für zu Hause nur das Beste!
5. Panificio Svetina – Traditionelle Bäckerei seit 1912
Gleich daneben, im Panificio Svetina, gibt es schon seit 1912 gutes Brot und Gebäck. Wenn man rechtzeitig kommt, also in der Früh, gibt es die volle Auswahl – verschiedenste Weiß- und Vollkornbrote, Panini etc. In der Vitrine locken unzählige Kunstwerke für Süßschnäbel, etwa sizilianische Sfogliatelle und Babà, Cremeschnitten, Bignè (Brandteiggebäck), Brioche natürlich, Kuchen und Torten. Meine Empfehlung: die hausgemachten Grissini, knusprig und dünn, zum Beispiel mit Rosmarin oder Oliven.
6. Macelleria Krcivoj – Hochwertiges Fleisch für Genießer
Wer Fleisch einkaufen möchte, ist bei der Macelleria Krcivoj an der richtigen Adresse. Wachteln und Kalbsrollbraten, Costate (dicke Steaks aus der Rinder-Hochrippe mit Knochen) und Salsicce, Hühner und Svizzere (alias faschierte Laibchen). Außerdem gibt es hausgemachte weiche Salami und zur richtigen Zeit auch Cotechino, die kräftigende Wurst zu Sauerkraut oder Brovada (Saure Rüben). Die Bedienung ist freundlich, kompetent und das Preis-Leistungs-Verhältnis vorbildlich.
7. Tizio & Caio – Aperitivo und Caffè
Wer Lust auf Aperitivo hat, zum Beispiel einen Spritz Aperol, der auch wirklich kräftig orange ist (und nicht lachsfarben, wie abseits des italienischen Staatsgebiets), sollte einen Sprung zu Tizio & Caio machen. Hier ist oft volles Haus bei Musik und ausgelassener Stimmung. Es gibt eine Vielzahl von Weinen glasweise, das Angebot variiert.
Oder: Man beginnt den Tag hier, denn für einen guten Start gibt es Cappuccino, frische Brioches, köstliche gefüllte Panini und mehr.
Genussadressen in Tarvis
- Osteria Cucina Hladik, Via Romana 33
- Bar Trattoria Miramonti, Via Dante Alighieri 73
- Adria Pesca, Via Vittorio Veneto 98
- Doni di Bacco, Via Roma 44
- Panificio Pasticceria Svetina, Via Roma 50
- Macelleria Krcivoj, Via IV Novembre 5
- Bar Tizio & Caio, Via Roma 51